Der Hallenkomplex der Firma Autobedarf und – zubehör Sommer in Tulln, Königstetter Straße 108, weist an seiner Südseite einen Kamin auf, dessen relikthaft erkennbare und erst rätselhafte Aufschrift schließlich etwas zur Erhellung der Standortgeschichte beitragen konnte. Seitens der Betreiber war bekannt, daß die Gebäude in ihrer Grundform bereits seit mindestens 1945 bestehen [1].
Am Kamin sind die Buchstaben “DEROSTH”, bei flacherem Blickwinkel auch “DEROSTHEN” erkennbar [2].
Eine Internetrecherche [3] mit selbigem Suchbegriff ergab Hinweise auf ein um 1900 eingesetztes Mittel Siderosthen [4].
Begriffserklärung [Zitat Beginn]
Siderosthen ist eine blauschwarze Rostschutz-, Dichtungs- und Isolierfarbe, die um 1900 verwendet wurde. Sie ist gegen Feuchtigkeit widerstandsfähig und wurde besonders zum Rostschutz von Eisen benutzt. Auch Staumauern, die nach dem sogenannten Intze-Prinzipgebaut wurden, wurden damit abgedichtet.
Es handelt sich um ein Gemisch aus Fettgasteerprodukten (Ölgasteer) mit Goudron (Teer) und Schwefel. Die Anstrichmasse ist eine Lösung einer asphaltartigen Masse in leichten Kohlenwasserstoffen. Sie enthält weder einen mineralischen Farbkörper noch einen Ölfirnis. Beim Anstrich verdunstet das Lösungsmittel und die asphaltartige Masse bleibt als trockener, elastischer Überzug, der nicht hart wird, zurück.
Der Name Siderosthen wurde 1898 in Luxemburg von der Aktiengesellschaft für Asphaltierung und Dachdeckung, vormals Johannes Jeserich, Berlin, als Markenzeichen eingetragen […].
Zitat Ende [4]
Anbei ein Screenshot des Eintrages in das Markenregister [5]:
Die Suche nach “Siderosthen” im Compass 1925/26 [6] brachte die schlüssige Information, daß es sich bei dem Standort um die Firma “Siderosthen-Lubrose – Werke Dr. Zimmer & Co. GmbH” handelt. Es wird dazu Folgendes ausgeführt:
- [Direktion] Wien I., Franz Josefs-Kai 5.
- Fabriken in Tulln
- Niederlage in Prag
- Gründungsjahr 1905
- Kapital 875.000 K [ronen]
- Geschäftsführer Ernst Pick, Dr. Karl Winterstein, Hans Pick [Prag]
- Erzeugnisse und Handel von/mit Siderosthen-Lubrose-Anstrichfarben für Eisen, Beton, Zement, Mauerwerk, Fassaden, ferner Fußbodenlack, Bohrcreme, Fußbodencreme und andere chem. Produkte.
- Telegrammadresse “Siderosthen” [6]
1928 gibt es einen zweiten Nachweis im Compass, der neben der Erwähnung der Tullner Fabrik Hinweise auf weitere Produktionsstandorte des Unternehmens in Bratislava, Belgrad und Budapest gibt [7]. Prag wurde offenbar aufgegeben.
Das Unternehmen scheint die 1. Republik nicht überlebt zu haben; weder 1943 [8] noch 1959 [9] sind Hinweise auf den Produktionsstandort Tulln bzw. den ehemaligen Verwaltungssitz Wien zu finden.
Der ehemalige Betrieb dient heute Kfz-Begutachtungen, dem Service von Kfz sowie dem Verkauf von Ersatz- und Verschleißteilen [1,2].
Der Kamin mit achteckiger Basis ist in gutem baulichem Zustand und weist eine Verbauung seines Kronenbereiches durch Mobilfunkeinrichtungen auf, deren um den Kamin gezogene Begehungsplattform die Buchstaben “SI” von “SIDEROSTHEN” etwas schwer lesbar macht [2,10].
Wir danken der Firma Sommer für die Möglichkeit, den Kamin zu dokumentieren.
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Quellen:
[1]… Freundliche Auskunft Th. Sommer, 31.07.2012
[2]…Eigenerhebung, 31.07.2012
[3]…www.google.at: “DEROSTHEN”, 31.07.2012
[4]…Siderosthen auf academic.ru, 31.07.2012
[5]…legilux.public.lu, pdf-Seite 10/12, 31.07.2012
[6]…Compass Verlag (1925): Industrie-Compass Band I Österreich 1925/26. Wien, 911
[7]…althofen.at, 31.07.2012
[8]…Reichspostdirektion Wien (1943) Amtliches Fernsprechbuch Wien; Eigenverlag, Wien. 592 + 12S
[9]…Compass Verlag (1959): Industrie-Compass Österreich 1959; Wien. 3232S
[10]… Fotos und Fotomontage zur Lesbarkeit der Buchstaben: M.Mráz (31.07.2012)