Der Maurermeister Ludwig Gussenbauer (1853 – 1923) gründete seine Spezialunternehmung für Fabriksschornsteinbau und Einmauerung von Dampfkesseln als offene Gesellschaft am 1. August 1891,(1) nachdem er sich bereits seit 1873 damit beschäftigte. 1898 tritt der Sohn Ferdinand Gussenbauer (Bautechniker) als Gesellschafter in die Firma ein und übernimmt sie 1914 vollständig nach dem krankheitsbedingten Rücktritt des Vaters.(2) Am 1.11.1923 stirbt Ludwig Gussenbauer im Alter von 70 Jahren.(3) Sein Enkelsohn Ferdinand Gussenbauer Jun. trat 1919 in die Firma ein.(4)
1926 wurde die Firma nach Liquidation gelöscht.(5) Im Firmenbuchakt von 1993 wird die „Spezialunternehmung für Fabriksschornsteinbau und Einmauerung von Dampfkesseln L. Gussenbauer & Sohn“ mit dem Datum 27.11.1991 als Ersteintrag und mit Löschungsdatum 16.01.1993 verzeichnet.(6) Die Firma besteht heute noch unter dem Namen L. Gussenbauer & Sohn Spezialbauunternehmung GmbH und beschäftigt sich u.a. mit dem Schornsteinbau in der Karolinengasse in Wieden. Bereits 1906(7) findet man den Unternehmenssitz und die Wohnung der Familie an der heutigen Adresse in einem 1874 erbautem Gebäude in Besitz Ludwig Gussenbauers.(8) Zur vorigen Adresse Schönburgstraße 26 (die des vorliegenden Prospekts) kam am 01.05.1903 ein Standort in der Wimmergasse 29, 1050 Wien, hinzu.(9)
Das „älteste“ Unternehmen „dieser Spezialbranche in Österreich-Ungarn“(10) war der führende Dampfschornsteinbauer mit renommierten Aufträgen „für industrielle Betrieb[e] des Staats-, Kommunal- und Privatbesitzes“(11).
„Hiermit erlaube ich mir, mich zur Ausführung meiner Specialarbeiten höflichst zu empfehlen -Dampfschornsteinbau – rund und eckig – inclusive Material-Lieferung, erstere mit radialen Formsteinen unter dauernder Garantie für Stabilität bei allen Witterungsverhältnissen. Desgleichen Reparaturen als: Höherbauen, Einbinden mit Eisenringen, Ausfugen, Geraderichten, Abtragen etc. Sämmtliche Arbeiten auch während des Fabriksbetriebes. Uebernahme von Kessel- und Maschinenhausbauten, Fundamente für Maschinen und ganzer Fabriksanlagen aus Stampfbeton. Einmauerung von Dampfkesseln jeden Systems und Braupfannen mit Regulierfeuerung.“
„Ich empfehle daher vorliegendes Prospect, welches die Vor- und Nachtheile, die bei Errichtung von Kessel und Schornsteinbauten zu berücksichtigen sind, [..], anführt.“
Vorteile einer „guten Feuerungsanlange sind“ zb.: dichte, trockene und leicht zu reinigende Feuergänge, „möglichst rauchfreie Verbrennung“, bequeme Regulierung und „Schonung des Kessels“.
„Der Schornstein bildet das belebende Element der Feuerungsanlage und hat die Bestimmung, in erster Linien die zur Verbrennung erforderliche Luft [..] zuzuführen, in zweiter Linie die Verbrennungsproducte und schädlichen Gase [..] abzuführen, [..].“
Der „zweckmäßigste Quer- und Längenschnitt“ des Schlotes, die obere lichte Weite und die angepasste Höhe sind für eine funktionierende Anlage von besonderer Bedeutung.
Der runde Querschnitt, also Dampfschornsteine aus „radialen Formsteinen mit verticaler Lochung“ sind am geeignetsten, da sie weniger Wärme nach Außen abgeben und weniger Gewicht und Materialnutzung aufweisen. Der Rauchabzug erfolgt dadurch auch schneller als bei vier- oder achteckigen Schloten, die nur dann zur Verwendung kommen, wenn die Fracht der Formsteine zu teuer wäre und versierte Maurer nicht verfügbar sind. Außerdem können sie Stürmen besser widerstehen, da sie aus dichten und glatten Steinen bestehen. „Meine Steine werden nicht wie Lehmziegel mit Sand und Handstrich angefertigt, sondern mit Wasser durch hiezu geeignete Maschinen aus einem guten, consistenten Materiale erzeugt [..]“.
Die Lochung der Formsteine hilft eine gleichmäßigere Temperatur des Schlotes zu erhalten, in dem die Löcher mit Mörtel ausgefüllt werden und so ein „inniger Verband (Ringverband)“ entsteht.
Die Ziegel werden fast nur in den großen Wiener Ziegelwerken angefertigt und eine immerwährende Stabilität garantiert.
Gussenbauer betont immer wieder (zb. auch in diversen Werbeanzeigen), dass er seine Schornsteine ohne Gerüst baut und nur speziell geschulte Maurer/Fachkräfte beschäftigt. Quelle. Ludwig Gussenbauer, 36-seitiges Prospekt, Wien 1897, o.S.
1 WSTLA: Handelsregister-Auszug, 03.07.1900, S. 153, Zahl 106/1.
2 Das neue Städtewerk, Wien, Band 3, 1927, S. 335.
3 WSTLA: aus dem Verzeichnis der Verstorbenen, 2022.
4 Städtewerk
5 WSTLA: Handelsregister-Auszug, 1900.
6 WSTLA: Akt: 2.3.3.A49/1.FN002328z, vom 16.01. 1993.
7 Adolph Lehmann’s allgemeiner Wohnungs-Anzeiger : nebst Handels- u. Gewerbe-Adressbuch für d. k.k. Reichshaupt- u. Residenzstadt Wien u. Umgebung, 1859-1922, Protokollierte Firmen, 1906, S. 411
8 Lenobel, Josef: Häuser-Kataster der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien, Wien, 1911-12, S. 174.
9 Lehmann, Protokollierte Firmen, 1903, S. 470.
10 Werbeanzeige, angegeben mit 1914
11 Städtewerk
Das ehem. neue Schweineschlachthaus St. Marx (heutige Arena Wien) – Bau- und (Um-)Nutzungsgeschichte
Adresse: Baumgasse 80, 1030 Wien
Aus dem Vortrag zur Historikertagung „Industriekultur“ der Donau-Uni Krems, Dezember 2023
1. DIE BASIS – Das Areal
Stadtteil- und Industriegeschichte
Die Anfänge der Schlachthöfe
Das ehemalige städtische Schweineschlachthaus
2. DIE BESETZUNG – Der Widerstand
Die Kontumazanlage – die „alte Arena“ – erste Umnutzungsideen
Konzepte für einen autonomen Kulturplatz
Industrieanlagen im Wandel
3. DER VEREIN – Der Neubeginn
Einzug in die „neue“ – die heutige – Arena
Moderne Adaptierungen
Denkmalschutz und eigener Antrieb
1. DIE BASIS – Das Areal – 1.1. Stadtteil- und Industriegeschichte
Die Erschließung des Areals hängt stark mit der Entwicklung der Donau Auen zusammen.
Jahrhundertelang wies die Donau stark “schwankende Wasserstände” auf, die im Wiener Becken” ein ganzes Netz an wechselnden Wasserarmen ausbildete”. Bereits 1832 konnten durch den Donaukanaldurchstich einige Gebiete in Erdberg trockengelegt und parzelliert werden.1 1884 war die Donauregulierung schließlich abgeschlossen, wodurch eine längerfristige Bebauung des Gebietes ermöglicht wurde.
Erdberg
In Erdberg wurde ab der der zweiten Türkenbelagerung Obst und Gemüse angebaut (auch Milchwirtschaft und Weinanbau betrieben),2 wodurch die Haupterwerbsbauern mit ihren sog. Erdberger Küchengärten einen wichtigen Teil zur Versorgung Wiens beitrugen. Fuhrwerker3 ließen sich nieder und vor allem auch die Gerber, Abdecker oder Wasenmeister, Leimsieder und die Fleischhauer mit ihren öffentlichen Schlagbrücken, siedelten wegen der Unreinlichkeit ihrer Gewerbe am Rande der Stadt.4
Durch die spätere Eingemeindung der Vororte rückten diese Gewerbe und weitere im 19. Jahrhundert folgende Betriebsansiedelungen wie eine Teerfabrik, Tierkörperverwertung, die Simmeringer Waggonfabrik, die Zünderhütte, Fleischselcher und natürlich Schlachthöfe und einige mehr, an die Außengrenzen.
St. Marx
Die ursprüngliche Kapelle der Kirche St. Marx stand an einer alten Römerstraße, der späteren St. Marxer Linie (der heutigen Simmeringer Hauptstraße), die als Reise- und Handelsroute diente.
In dem höher gelegenen Gebiet St. Marx entstand auf Grund der Stadtgrenzen und des Reiseverkehrs im Laufe von Jahrhunderten einer der größten Viehmärkte und Schlachtstätten Europas – der 1884 eröffnete Central-Viehmarkt.5
1.2. Die Anfänge der Schlachthöfe
Die Kirche und das St. Marxer Tor entwickelten sich nicht nur zur Zoll- und Einlassstelle an der östlichen Stadtgrenze, sondern auch bald vom Siechenhaus (Infektionskrankenhaus) zur vergrößerten Spitals- und Versorgungshausanlage.
Die immer öfter in die Stadt mitgebrachten Nutztiere mussten versorgt, untersucht und eventuell geschlachtet werden. Durch diese Kette an Notwendigkeiten entstand ein (1797 gegründeter) Viehmarkt mit Notstallungen6 und einem Ochsenstand7 knapp außerhalb der östlichen Stadtgrenze.8
Mitte des 19. Jahrhunderts (1846-48) entstand der erste, größere Schlachthof an der Hohlweggasse und wurde durch spätere Erweiterungen zb. den noch heute stehenden und alternativ genutzten Rinderhallen (1878-1884) stark vergrößert.
In den 1860er Jahren wurde die Kirche demoliert und das Spitalsareal an den bisherigen Pächter der Spitalsbrauerei Adolf Ignaz Mautner verkauft.9
Durch die Eingemeindung der Vorstädte und starkem Bevölkerungszuwachs10 stieg der Schlachtviehbedarf rasant an. Im Besonderen war der Bedarf an Schweinefleisch durch die zu klein gewordene Schweineschlachtabteilung am Zentralviehmarkt erhöht.
Ebenso wurden erweiterte tierärztliche Untersuchungen hinsichtlich zahlreicher Haus- und Nutztierseuchen11 und die Umsetzung neuer Hygienemaßnahmen durch „[..] die Erfolge [..] bakteriologischer Forschung [..]“ benötigt.12
1.3. Das ehemalige städtische Schweineschlachthaus
Für den Bau des neuen Schweineschlachthauses kam ein freigebliebenes, abschüssiges Areal an der projektierten Erweiterung des Landstrasser Gürtels am Ende der Gesamtanlage des Zentralviehmarktes zur Verwendung.
Hier war ursprünglich ein dringend benötigter Seuchenhof geplant, der Bau des neuen Schweinschlachthauses musste vorgezogen werden.
Ing. Max Fiebiger war bereits seit 1900 mit Erweiterungsbauten am Zentralviehmarkt und vielen kommunalen Anlagen in Wien13 betraut und leitete, für das Wiener Stadtbauamt, den Bau des neuen Schweineschlachthauses in den Jahren 1908-10 an der Ecke Baumgasse und heutigem Franzosengraben.
Ab April 19081415 wurde das Terrain (teils mit Ziegeln) aufgeschüttet16 und am Ende der Schweineausladerampe der Schlachthausbahn der neue Schweineschlachthof für 1500 Schweine errichtet.
Der sog. Schlachthauszwang17 wurde zuvor per Gesetz verordnet und die bis dahin üblichen Notstechbrücken oder privaten Schlachtstätten nicht mehr benötigt.18
Die Anlage wurde nach dem deutschen System errichtet. Das heißt, dass Arbeitshallen und -räume nicht baulich voneinander getrennt sind – im Gegensatz zum französischen System19 Üblicherweise wurden Schlachthöfe in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht nur nach hygienischen Grundsätzen „sondern auch nach betriebstechnischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten geplant; die Verwaltungsgebäude wurden meist an eine öffentliche Straße gelegt.“20
Im hinteren Bereich des Schlachthofes befanden sich die Stallungen, die an die Schlacht-und Arbeitshalle mit Stechbuchten, Brüh- und Enthaarungsplätzen angeschlossen waren. Die Kadaver konnten durch das neuartige21 Schwebebahnsystem transportiert werden, ohne sie abnehmen und umladen zu müssen. Die neuen Kühlanlagen und die Fortschritte der Kältetechnik stellten eine bedeutsame Neuerung zur sicheren Versorgung der Bevölkerung dar.22
Die Gebäude
Das damalige wie heutige Verwaltungsgebäude beherbergte Büros, Küchen und vor allem Wohnungen für Schlachthausleiter und Tierärzte, die ständig vor Ort waren.
Die sog. Sterilisierungsanstalt unterteilte sich in diverse Arbeitsräume, Selch-, Pökel- und Kühlkammern sowie eine Freibank. Die Pökel- und Kühlanlagen befanden sich im Keller, der ebenfalls mit einem Schwebebahnsystem und 2 Lastenaufzügen ausgestattet war. Beides ist heute noch erhalten.
In diesem Trakt wurde Fleisch, das schwachfinnig25 war oder von seuchenverdächtigen, kranken oder verunfallten Tieren stammte, sterilisiert und gesondert in der Freibank, der Verkaufsstelle, verkauft.
Der übliche Schlachtbetrieb kam mit der Sterilisierungsanstalt nicht in Berührung.
Die heutige große Konzerthalle (links der ursprünglichen Kühlhalle) beherbergte das sehr großzügig angelegte Kessel- und Maschinenhaus sowie Lager- und Arbeitsräume. Bereits bei der Bauplanung wurde eine mögliche Vergrößerung der Maschinenräume, sowie auch des gesamten Geländes angedacht.26
Rechts der Kühlhalle befanden sich Räume für Meister, Gesellen und Aufseher, und Nassräume. Das heutige „Beisl“.
Die Kühlhalle, die heute nicht mehr vorhanden ist,27 bestand aus zwei Hallen, die abwechselnd mit Brunnenwasser und durch eine CO2-Kältemaschine vorgekühlt und gekühlt wurden. Das Kühlwasser, der Abdampf und das Kondensationswasser wurden dem Betrieb wieder zugeführt.
Der Schornstein/Schlot wurde bauzeitlich von der renommierten Wiener Firma Ludwig Gussenbauer28 errichtet.
Kunstgeschichte
Das Gebäudeensemble besteht aus ein- und mehrgeschossigen, profanen Sichtziegelbauten als vereinfachte Ausläufer der romantisch historistischen kommunalen und Industriebauten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Die Hoffront des Verwaltungsgebäudes zeigt einen 3-geschoßigen Sichtziegelbau mit stark vorspringendem, zweiachsigen Mittelrisalit mit Segment– und Rundbogenfenstern und „betont giebelartiger Überhöhung“29 mit kaminkopfartigen Eckpfeilern in der Attikazone.
Der Arena-Fries, der durch 45° über Eck gestellte Ziegel in 3 Reihen ein stilisiertes Blumen- oder Kreuzmuster zeigt, befindet sich in der Frieszone unter der Dachkante.
Das Kessel- und Maschinenhaus zeigt an der heutigen Eingangsfront, den sakralen Charakter einer Basilika, einer mehrschiffigen, profanen Halle, die europaweit häufig an Kommunalbauten, Industriebauten, auch Schlachthöfen, zu finden ist. Der Arena-Fries und zinnenartige Aufsätze sind hier besonders markant.
Die Original-Schriftzüge „Kesselhaus“ und „Maschinenhaus“ sind heute noch erhalten.
Vorbilder lassen sich vor allem in dem fast zeitgleich erbautem Pferdeschlachthaus in Favoriten erkennen, auch wenn sich hier der besagte Arena-Fries, der dem Kreuzverband von Klinkermauerwerken ähnlich ist, nicht wiederfinden lässt.
Trotz des Variantenreichtums von Ziegelfriesen ließ sich der vergleichbar einfache Arena-Fries bislang noch nicht nachweisen. Beispiele: Brügge, Gent, Hamburg und Wien.
Das Wiener Stadtbauamt war verantwortlich für die Entwürfe, deren Planung und Bauablauf. Oft nicht namentlich genannte, angestellte Architekten30 und weitere Positionen wie Bauinspektoren, -ingenieure, -leiter, -meister waren an dem Bau beschäftigt.
Einige Hinweise31 schreiben den Gesamtentwurf Max Fiebiger zu, der nicht als Modernist32 bekannt war.
Die Gebäude erlitten Bombentreffer im 2. Weltkrieg und wurden anschließend wieder aufgebaut bzw. teilweise durch einfachere Gebäudeabschnitte ersetzt.
2. DIE BESETZUNG – Der Widerstand
2.1. Die Kontumazanlage – die „alte Arena“ – erste Umnutzungsideen
Die Kontumaz- bzw. Quarantäneanlage an der Döblerhofstraße (schräg gegenüber des Schweineschlachthofes an der heutigen Autobahnauffahrt) wurde 1916-22 ebenfalls vom Wiener Stadtbauamt errichtet und bestand aus einer großen Zahl an einzelnen Gebäuden.
Besetzung der Festwochen-Arena 1976
Das später als Auslandsschlachthof bezeichnete Areal wurde bereits 1975 und 1976 für das Jugendprogramm34 der Wiener Festwochen genutzt.
Am letzten Tag der Veranstaltungen – am 27. Juni 197635 – wurde das Gelände mit einer Forderung zur Errichtung eines selbstverwalteten, subventionierten36, permanenten und ganzjährigen Kulturbetriebes für Alle besetzt. 373839
Zahlreiche Proteste, Unterschriftensammlungen und Verhandlungen mit der Stadt Wien begleiteten die 3monatige, letztlich erfolglose Besetzung. Das Gelände war verkauft und abgerissen worden.
Zum Verkauf des Auslandsschlachthofes und zum Ende der Schlachthöfe
Bereits ab Mitte der 60er gingen die Lebendanlieferungen stark zurück und durch neue Vorschriften die „Lebensmittel- und Schlachthygiene“ betreffend, wurden beide Schlachthöfe40 bereits Mitte der 70er Jahre geschlossen. 1997 wurden dann auch die Schlachtungen am Zentralviehmarkt beendet.41
Alternativpläne wurden mit der Stadt Wien ausgearbeitet42 und nach 2 abgelehnten Angeboten (darunter das Schloss Neugebäude), nahmen die Besetzer und Besetzerinnen das vorgeschlagene Areal der heutigen Arena mit der Bedingung der Übernahme der Umbaukosten der desolaten Anlage an.43
2.2. Konzepte für einen autonomen Kulturplatz
Sehr rasch entstand ein umfassendes Konzept für ein ganzheitliches, soziales, integratives Kulturzentrum mit dem Ziel der Demokratisierung der Kultur44, mit Beteiligung verschiedener Personen- und vor allem sozialer Randgruppen.
In der kurzen Zeit der Besetzung, im Sommer 1976, wurde das Areal in einen kulturell und sozial vielseitigen Ort mit dorfähnlichem Charakter verwandelt.
Zahlreiche Einrichtungen wie Theater, Frauencafé, Teehaus, Küche, Galerie, Kinderhaus etc. wurden schnell installiert.
Alle, ob obdachlose Kinder oder kunstinteressierte Jugendliche, wurden aufgenommen. Ein umfassendes Konzept für das neue, vorgeschlagene Areal wurde erarbeitet und beinhaltete Einrichtungen zur kulturellen und sozialen Versorgung Wiens.
Heute steht nur noch ein kleiner Teil des ursprünglich zu adaptierenden Gebietes.
2.3 Industrieanlagen im Wandel
Vor allem in Deutschland gibt es seit den 1960er und va. 1970er Jahren zahlreiche Beispiele an kulturellen Umnutzungsforderungen historischer, stillgelegter Industrieanlagen.45 Nach den Wirtschaftskrisen 1966/67 und 73/74 hatten „aufgegebene Industriebauten das Stigma des wirtschaftlichen Versagens“46, doch die sozialen Bewegungen – oft durch Bürgerinitiativen47 – erkannten darin das Potential zur Definierung eines neuen Kulturbegriffes48 mit Symbol- und Vorbildcharakter.
In den USA gibt es diese Bewegung bereits seit den 50er Jahren.49
In Deutschland finden ab den 1990er Jahren häufiger Unterschutzstellungen mit anschließenden Umnutzungen statt, „[..],um spezifische stadträumliche und kunsthistorische Qualitäten eines Industriebaus zu erhalten und damit die Identität ihres Quartiers oder Stadtteils zu wahren“50. Diese Tendenzen lassen sich auch aktuell und europaweit beobachten.
Auch für das heutige Arena-Areal wurden rasch ähnliche Ideen zur Umnutzung entworfen.
3. DER VEREIN – Der Neubeginn 3.1. Einzug in die „neue“ – die heutige – Arena
Die Schlüsselübergabe und der Einzug in die „neue“ Arena fand 1 Jahr nach der Besetzung, 1977 statt.
Dr. Dieter Schrage, der damalige Direktor des 20er Hauses wurde erster engagierter Obmann des neuen Vereins Forum Wien Arena.
Zahlreiche Umbauten und Instandsetzungen wurden durchgeführt, einige Gebäude abgerissen und der hintere Teil des Geländes an eine Kühlfirma vergeben.5152
1980 begann der regelmäßig und durchgehend bis heute geführte Veranstaltungsbetrieb.53 Bereits zu Beginn engagierten sich nationale und internationale Künstler und Künstlerinnen 54.
3.2. Moderne Adaptierungen
Der Umbau der Großen Halle (des ehem. Kessel- und Maschinenhauses ) und des Open Air Geländes (dem Platz der ehem. Kühlhalle) wurde vom Wiener Architekturbüro Rataplan 1994-2004 konzipiert und umgesetzt.
Das Open-Air-Gelände wurde abgegraben, eine moderne, große Bühne gebaut und mit technischen Einrichtungen und Publikumsinfrastruktur versehen.
Zahlreiche Veranstaltungen im sozialen und kulturellen Bereich wurden in der Arena initiiert. Zum Beispiel: – Das Arena Open Air Kino gibt es seit 1990 als das erste Wanderfreiluftkino „Volxkino“ ins Leben gerufen wurde. Bis 2012 kamen dafür zwei Filmprojektoren aus den 1920er Jahren zum Einsatz.56 – Benefizfestivals wie „Bock auf Kultur“ und „Nacht gegen Armut“ mit Patti Smith von der Volkshilfe Wien – Deutschkurse des Vereins „You are welcome“
– Sportveranstaltungen (Red Bull Parcourlauf, Blue Tomato Snowboard Event) – Verwendung als Drehort – Lehrlingsausbildung im Bereich Veranstaltungstechnik – Ausstellungen, Theater, Konzerte, Lesungen
3.3 Denkmalschutz und eigener Antrieb
Das gesamte Gelände wurde auf Grund von gegebenem öffentlichen Interesse vom Bundesdenkmalamt Wien 1997 unter Schutz gestellt und einige Besonderheiten im Bescheid festgehalten. Nicht nur die wirtschaftshistorische Bedeutung, sondern auch die Industriebauweise mit ihren weitgehend vollständig erhaltenen Sichtziegelfassaden werden darin betont.
„Die Gebäude des ehem. Schweineschlachthofes stellen mit ihren typischen und weitgehend vollständig erhaltenen Sichtziegelfassaden eine bereits selten gewordene Form dieser Industriebauweise aus dem Ende des 19. Jahrhunderts bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts in Wien dar und sind daher architekturgeschichtlich von besonderer Bedeutung. Der Schweineschlachthof dokumentiert [..] einen bedeutenden Bereich der Wirtschaftsgeschichte Wiens um die Jahrhundertwende.“ Auszug aus dem Feststellungsbescheid nach §2 von 1997
Das Gelände des ehem. neuen Schweineschlachthauses ist kein (Freilicht-)Museum, sondern ein lebendiges Denkmal zur Stadtgeschichte, das ganzjährig benützt wird. Der Verein ist bestrebt so weit als möglich den Ensemble-Charakter des ehem. Industriegeländes, auch in seinen Einzelteilen zu bewahren und in den Betrieb zu integrieren. Beispielsweise wird nachts die fehlende Pförtnerhausuhr an ihre Originalstelle projeziert, ein alter Aufzugsmotor durch Beleuchtung in den Gastraum integriert oder neue Beeteinfriedungen mit dem Arena-Fries versehen.
Die Besonderheit und Notwendigkeit des Fortbestands des Areals und des Vereins zeigt sich auch durch die gelungene Integration in das gesellschaftliche Leben, die Anerkennung der Bevölkerung, sowie (mittlerweile) aller politischen Parteien57.
Seit einigen Jahren bemüht sich der Verein auch verstärkt um Vermittlung seines eigenen industriekulturellen Erbes durch Ausstellungen und Führungen, die teilweise in Zusammenarbeit mit dem österreichweiten Tag des Denkmals, organisiert vom Bundesdenkmalamt Wien, veranstaltet wurden.
Der breiten Öffentlichkeit ist nur die Geschichte der Besetzung und tw. die Entstehung des heutigen Areals geläufig. Auch das Forschungs-, Ausstellungs58– und Publikationsinteresse59 bezieht sich zur Zeit ausschließlich auf die ereignisreiche Protestbewegung. Das Interesse des Publikums an der gesamten Geschichte ist allerdings vorhanden. Genauso wie die Bereitschaft des Vereins seine Geschichte zu wahren, weiter zu forschen und zu vermitteln.
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Anmerkung der Redakteurin:
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Der Artikel stellt einen sehr kleinen Auszug aus bisher 11-jähriger Forschungsarbeit dar.
Fußnoten/Quellen:
1 Festschrift, 100 Jahre Wiener Stadtbauamt, 1835-1935, Wien 1935, S. 126 f. 2 Geschichte derVorstädte und Freygründe Wien, Wien 1812, S. 21 3 https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Erdberg_(Vorstadt), am 09.01.24 um 13:51 4 Geschichte derVorstädte und Freygründe Wien, Wien 1812, S.12 5 https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Zentralviehmarkt 6 Geschichte derVorstädte und Freygründe Wien, Wien 1812, S. 30 7 Festschrift, 100 Jahre Wiener Stadtbauamt, 1835-1935, Wien 1935, S. 173 8https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/St._Marx, am 08.04.24 9 https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Brauhaus_St._Marx, am 09.01.24 und 1857, https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/St._Marx, am 09.01.24 10 Bevölkerungsentwicklung lt. Statistik Austria, in:http://www.carookee.de/forum/Kleeblattforum.carookee.com/33/21583648-0-01105?p=1 11 Milzbrand, Roßwurmkrankheit, Räude, Wutkrankheit, Schweinerotlauf, Schweinepest und Geflügelcholera, in: Stadt Wien, Die Gemeindeverwaltung der k.u.k. Reichhaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1908 VVII., Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger, Verlag Gerlach und Wiedling, Wien 1910, S.249 – im WSTLA 12 Walter, Uli, Schlachhof und öffentliche Gesundheit. Zur Kultur- und Baugeschichte von Schlachthäusern seit dem Mittelalter, in: Jahrbuch der bayerischen Denkmalpflege, Band 54/55, 2000/2001, München 2006, S.73-79, hier S. 77 13 Ab 1912 wurde er zum städtischen Baurat und zum Leiter der Hochbauabteilung ernannt, von 1920-25 war er als Stadtbaudirektor tätig und baute zahlreiche Schulhäuser und Kindergärten, Schweinemastanstalten, Kühlhallen, Schlacht- und Seuchenhöfe, Straßen, Kanäle, erweiterte die Hochquellenwasserleitung. Übriggeblieben Gasbeleuchtung wurde durch elektrische Lampen modernisiert. Ebenso war er an Bauprogrammen zur Schaffung von Kleinwohnungen beteiligt. In: Festschrift 1935, S. 52/53 14 Stadt Wien, Die Gemeindeverwaltung der k.u.k. Reichhaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1908 VVII., Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger, Verlag Gerlach und Wiedling, Wien 1910, S.254 – im WSTLA 15 Die Entwurfsphase begann bereits einige Jahre zuvor, Auftragserteilung 1905, in: WSTLA, Inhaltsverzeichnis für das Amtsblatt der k.u.k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien, XIV. Jahrgang, Gesetze, Verordnungen und Entscheidungen, Nr. 51 am 28. Juni 1910, Wien 1905; S.1056, Protokoll 5420 und S. 1358 Protokoll 7591(tgl. 600 Schlachtungen) 16 Stadt Wien, Die Gemeindeverwaltung der k.u.k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1908 VVII., Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger, Verlag Gerlach und Wiedling, Wien 1910, S. 254 – im WSTLA 17 In Wien 1873, in: https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Schlachtbetriebe, am 12.11.23, 13:02 – auch in Deutschland übrigens → in Walter, Uli, Schlachthof und öffentliche Gesundheit, 2006, S. 75 18 Wiener Zeitung, 15.06.1910, S. 7 19 Walter, Uli, Schlachthof und öffentliche Gesundheit, 2006, S. 73-79, hier S. 78 20 Ebenda 21 Seit 1903 laut: Ebenda 22 Ebenda 23 Wasch-, Umkleide-, Koch, Desinfektions-, Zerteilungs- und Untersuchungsraum 24 mit Warte- und Verkaufsraum und eine Kanzlei 25 = mit Bandwurmlarven besetztes Fleisch, das aber „genusstauglich“ gemacht werden kann. 26 Das neue Schweineschlachthaus im III. Bezirke, Wien Magistrat, 1910 27 Bombentreffer 2. WK, Wiederaufbau, 1977 noch vorhanden 28 Dampfrauchfang und Kesseleinmauerung L. Gussenbauer und Sohn“, in: Das neue Schweineschlachthaus im 3. Bezirke in Wien, Verlag des Magistrates der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien, 1910; ohne Seitenangabe 29 Bescheid Bundesdenkmalamt Wien 30 Magistratspublikation Schweineschlachthaus 1910, keine Nennung des Architekten. 31 Technischer Führer durch Wien, herausgegeben vom österreichischen Ingenieur- und Architektenverein, redigiert von Ing. Dr. Martin Paul, Stadtbauinspektor, Verlag von Gerlach & Wiedling, Wien 1910, S. 237
Martin Paul war Stadtbauinspektor und hatte keinen aktuellen Bauplan als Abbildung verwendet. 32 www.architektenlexikon.at/de/135.htm, 16.11.23 33 https://sammlung.wienmuseum.at/suche/?people=p16477, 24.11.23 34 In: Gustav Ernst, Arena Dokumentation, Wespennest, Zeitschrift für brauchbare Texte Nr. 23, Wien, Juni 1976, S. 4 35 Rosemarie Rauscher, Politik im Underground, Wien 1998, S. 28 36 Arbeiterzeitung, 29.06.1976, S. 9 37 Einer der Studenten war wohl Leiter des Wiener Architekturzentrums. In: http://derstandard.at/2492068, 22.04.24 38 Verena Kövari, Die Arena, Alternativkultur im Wien der 1970er Jahre, Wien 1997, S. 40 39 Kövari, S. 25 40damalige Auslands- und Inlandsschlachthöfe – Schweineschlachthaus am 21.6.76, in: Magistrat der Stadt Wien [Hrsg.], Die Verwaltung der Stadt Wien 1976, Wien 1977, S. 218 41 Magistratsabteilung 53, Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 16.12.1997 – Letzte Rinderschlachtungen in St. Marx 42 Rauscher, S. 49 f. 43 Kövari, S. 64 44https://www.schlachthof-kassel.de/das-zentrum/geschichte, 16.11.23 45 Winkelmann, Arne, Kulturfarbiken, Zeichenwandel der Fabrik in der freien Kulturarbeit, Berlin 2006, S. 33f 46 Winkelmann, S. 16 47 Winkelmann, S. 77 48 Winkelmann, S. 8 49 Ebenda 50 Winkelmann, S. 77 51 Vermutlich die Schweineschlachthalle, Pläne Stadtarchiv Wien 52 Rauscher, S. 107 und 104 53 Rauscher, S. 116f. 54 In den ersten 10 Jahren: Peter Turrini, Peter Weibel, Harry Stojka, Drahdiwaberl, Lukas Resetarits, Wolfgang Ambros, Georg Danzer, Hans Thessink, Hubsi Kramar, Willi Resetarits, Johnny “Guitar” Watson, Nazareth, Bad Religion, Van Morrison, George Clinton, Nick Kamen, John Lee Hooker (1991), Little Richard (1991 etc. später dann Nirvana (14.11.1991) etc Theater von Oskar Kokoschka, Gottfried Helnwein Ausstellung bei der Besetzung: auf dem Arena-Plakat 10.07.1976 55http://www.rataplan.at/ 56 Von “Kino-Alfred” 57 Rathauskorrespondenzen 58 Ausstellung Wien Museum – Katalog „Nussbaumer, Martina, Schwarz, Werner Michael [Hrsg.], Besetzt!, Kampf um Freiräume seit den 70ern, Wien 2012“ 59 keine Publikationen, nur div. universitäre Arbeiten, wie Diplomarbeiten, Dissertationen etc
Aus diesem Grund veröffentlichen wir hier ein kleines Preisrätsel:
Welche Münze ist hier – ohne die daraufstehende Bezeichnung – abgebildet? Die erste richtige auf info [at] schlot.at eintreffende Antwort definiert den Gewinner. Preis ist ein schönes Originalstück aus unseren Archivbeständen. Gutes Gelingen!
Die beiden hier gezeigten mehr als 70 Jahre alten Fotos zeigen die Steinkohlen-Grube Janina im Grenzbereich Schlesien/Galizien, heutiges Polen [1,2].
Die Nahaufnahme zeigt einen Lagerplatz von Grubenholz, im Hintergrund zwei Fördertürme mit den Kaminen und einem Kühlturm. Zum Zeitpunkt der Aufnahme scheint der Bergbau nicht in Betrieb zu stehen.
Die Fernaufnahme zeigt – um 180° gedreht – dieselben Anlagen in Betrieb, im Vordergrund sind ausgedehnte Brachflächen, Abraumhalden und aufgegebenes Bauwerk zu erkennen.
Zur Zeit der Aufnahmen war Polen bereits durch Hitler-Deutschland annektiert [3]. Weitere historische Fotos der Grube finden sich in Quelle [4]. Die Grube Janina bei Libiąż wurde 1907 gegründet und fördert bis heute eine beträchtliche Menge an Steinkohle [4].
Vom 04.09.1943 bis zum 18.01.1945 bestand im Betrieb ein Außenlager des KZ Auschwitz [5], in dem ca. 850 Häftlinge [4] Zwangsarbeit verrichten mussten. Betreiber war zu dieser Zeit die Fürstengrube GmbH [4].
Quellen:
[1]…Kontaktkopie 81,5 x 54 mm Belichtungsfläche, Agfa Lupex: „Ansicht der Grube Libiaz (Galizien), in Polen, in der wir 4 Wochen lagern“. Eigentum schlot.at-Archiv (2016)
[2]…Vergrößerung 86 x 55 mm Belichtungsfläche, Agfa Brovira, unbeschriftet, aus demselben Konvolut wie [1] und schlüssig selbes Fotomotiv, ca. 180° anderer Blickwinkel. Eigentum schlot.at-Archiv (2016)
Kleine Fotodokumentation [1] des alten Kraftwerkes in Częstochowa. Der Kamin wurde angeblich 1925 errichtet und ist nicht mehr in Betrieb [2].
Am Luftbild [3] kann man ein veraltetes, aber noch weitgehend komplettes und eingefriedetes Kraftwerksgelände erkennen. Das Kraftwerksgelände verfügt im Süden über einen sich am Gelände verzweigenden Gleisanschluß. Das östliche Gleis führt zu einem hohen Gebäude, von dem aus Förderbänder in das Kraftwerksgebäude führen [3]; somit dürfte früher eine direkte Kohle-Einbringung aus Waggons oder Abfallverbringung aus dem Werk mittels Waggons bestanden haben.
Ein neues Kraftwerk des Unternehmens FORTUM etwas nördlich des alten Standortes versorgt nun die Stadt, Angaben über Leistung und Emissionen finden sich in Quelle [3].
Das Interessante am alten Kraftwerkskamin mit seinem rot-weiß-gestreifen Abschluss ist seine geografische Lage, nämlich am Ostende einer Sichtachse durch die Stadt, deren westlicher Ast eine breite Straße darstellt, die den internationalen Pilgerströmen der Erreichung des Wallfahrtsortes Jasná Gora dient. Dieses Kloster liegt weit über der Stadt; blickt man von dort aus Richtung Osten, erhebt sich in der Sichtachse der Straße quasi als säkularer Gegenpol der (nicht mehr rauchende) Kamin des alten Kraftwerkes. Welch Kontrapunkt, der den Verfasser spontan an den Titel Les Cathedrales de l’Industrie / Malicorne / erinnert.
Ansichtskarte von Tilsit (ab 1945 Sovetsk), gelaufen 1942 [1]. Die Teilansicht mit Blickrichtung Westen zeigt das Südufer der Memel/Neman mit dem Industriegebiet von Tilsit, das heute als Sovetsk zu Rußland/Exklave Kaliningrad gehört. Die Eisenbahn führt nach Norden über die Memel nach Litauen, die Staatsgrenze verläuft in der Strommitte.
Im Vordergrund ist ein Gasbehälter zu erkennen, der wohl dem ehemaligen Gaswerk der Stadt zuzuordnen ist [2].
Die Fabrik im Hintergrund ist die 1899 von den Aschaffenburger Zellstoffwerken gegründete Zellstoff-Fabrik Tilsit AG [3], von der eine Schrägluftaufnahme existiert.
Über die für die Stadt sehr wichtige Zellstoff-Fabrik bzw. deren Wiederaufbau unter beginnender Sowjetherrschaft berichtet Quelle [4] wie kursiv und eingerückt folgt:
Die Zellstoff-Fabrik erregte von Anbeginn das besondere Interesse der Russen. Sie sollte in der weiteren Entwicklung der Stadt eine gewichtige Rolle spielen. Sie schien so bedeutsam, daß unmittelbar nach Kriegsende durch das Moskauer Ministerium für Zellstoff- und Papierindustrie ein Sonderbeauftragter eingesetzt wurde: Oberst Gorbunow. Er begann unverzüglich mit der Heranziehung von Fachleuten. Die ersten Spezialisten waren Schlosser, Schweißer und Mechaniker und kamen 1945 im Parteiauftrag aus verschiedenen Rüstungsbetrieben Zentralrußlands. Weitere Werbe maßnahmen liefen unter den in Ostpreußen demobilisierten Soldaten. Ihnen wurde die Übereignung von Wohnraum zugesagt, dessen Kaufsumme in zehn Jahresraten abzuzahlen war. Der rasch wachsende Arbeitskräftebedarf führte im Spätherbst 1945 zu größeren Werbekampagnen in Zentralrußland. Die Werbung lief unter der Bezeichnung „Arbeitseinsatz im Ausland”. Die Arbeitswilligen erhielten ein Handgeld, und, was in dieser Periode noch wichtiger war, Brotkarten. Im November/Dezember 1945 trafen zahlreiche Transporte aus Smolensk, Kalinin und Welikije Luki auf dem Bahnhof Insterburg ein, von wo aus der Weitertransport mit Armee-Lkw vorgenommen wurde. Das Tilsiter Auffang und Quarantänelager befand sich im Gymnasium in der Oberst-Hoffmann Straße. Von hier aus wurde der Arbeitseinsatz vorgenommen.
Zum Direktor der Tilsiter Zellstoff-Fabrik berief man Oberst Lukjanow. Unter seiner Leitung gingen die Arbeiten zur Inbetriebnahme der Fabrik recht zügig voran und prägten das künftige Leben der Stadt. An Unterbringungs möglichkeiten mangelte es nicht. Leestehende Wohnungen waren ja vorhanden,für russische Verhältnisse eine keineswegs übliche Situation.[…] In der Zellstoffabrik wurden die letzten Vorbereitungen zur Produktionsaufnahme getroffen. 1948 wurde das erste Packpapier hergestellt. Die Belegschaft war auf über zweitausend russische Beschäftigte angewachsen. Die Deutschen waren überflüssig geworden.
Das Fabriksareal besteht noch immer mit einer Vielzahl an kleinen Tanks, der Gasbehälter von 1942 ist verschwunden [5].
Quellen:
[1]…AK 133 x 80 mm – Tilsit/Teilansicht mit Memel und Eisenbahnbrücke, Julius Simonsen, Oldenburg i. Holst., Nr. 5114, gelaufen als Feldpost am 29.11.1942 von Tilsit 1 nach Wien VIII. Eigentum schlot.at (2016)
Der einzige uns in Währing bekannte Industriekamin wurde im Juli 2016 abgetragen.
Er gehörte ursprünglich zur Bäckerei und Teigwarenfabrik Karl SCHAMBURECK, welche in der Zwischenkriegszeit als Großbetrieb bezeichnet werden konnte und damals bereits Gebäck nach Italien exportierte [1]. Nach 1953 [3] wurde der Betrieb an Karl HAAG verkauft [1], der damals noch in Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 44 etabliert war.
Für die Fa. SCHAMBURECK bestehen folgende Nachweise in unserem Archiv:
Telefonbuch 1943 [2]: SCHAMBURECK Karl, Bäckerei-, Feinbäckerei-Großbetrieb und Teigwarenfabrikation, Wien XVIII/110, Währinger Straße 90/92. Gefolgschaftsraum Wien XVIII, Canongasse 22
Branchenverzeichnis Wien 1953 [4]: SCHAMBURECK Karl, Bäckerei, Café-Konditorei, Zwieback, Bröselerzeugung, Wien XVIII, Währinger Straße 90-92
Schließlich wurde das Unternehmen an Karl HAAG verkauft und als Bäckerei und Ausbildungsbetrieb für das Zuckerbäckergewerbe weitergeführt.
Der rissige und mit einer langen gedämmten Zuleitung versehene Kamin erscheint auf älteren Schrägluftbildern [5] und auf einem schlot.at- Foto von 2009 sehr hoch und wurde im Laufe der letzten Jahre gekürzt [6]. Er wurde im Juli 2016 von der Fa. PRAJO abgebrochen [7].
[1]…Freundliche Anrainerauskunft am 27.07.2016
[2]…Amtliches Fernsprechbuch Wien 1943, 438
[3]…Amtliches Telephonbuch Wien 1953, II.Teil: Berufs- und Branchenverzeichnis, 70
[4]…Amtliches Telephonbuch Wien 1953, II.Teil: Berufs- und Branchenverzeichnis, 70
Im Bereich Endresstraße 18, 1230 Wien, befindet sich die ehemalige Klavierfabrik Parttart bzw. Luner [1]. Fotos schlot.at (2009). Es besteht Denkmalschutz für das Areal [1].
Dort ist vermerkt:
Endresstraße 18: Ehem. Klavierfabrik, Parttart steht per Bescheid unter Denkmalschutz (§3) und wurde vom Baumeister Josef Schneider errichtet: “Die charakteristische Anlage aus der Jahrhundertwende besteht aus vier Teilen: dem Wohnhaus, 1892 (…), und dem Fabrikationstrakt im Hof, dem an der Straßenfront anschließenden Repräsentationstrakt mit dem ‘Claviersalon’ (für Konzerte und Ausstellungsraum für 150 Klaviere), schließlich der Verlängerung des Fabriksgebäudes und der Errichtung eines Kesselhauses, 1901.” (Zitat Achleitner). Gemäß Wertanalyse Wehdorn/Georgeacopol im Buch “Baudenkmäler der Technik und Industrie in Österreich” ist die Klavierfabrik “eine stadttypische Industrieanlage mit hohen geschichtlichen und baukünstlerischen Werten”. Es wird vorgeschlagen die Schutzzone um die hinteren Fabrikstrakte der ehem. Klavierfabrik Parttart (später Luner) zu erweitern, da diese auch noch weitgehend original erhalten sind und einen wichtigen Teil der gesamten Anlage bilden (und vermutlich auch als Gesamtes unter Denkmalschutz stehen, da auf Grundstücksnummer 731/8 liegend). Um den Erhalt zu sichern wird empfohlen die Gebäude bestandsgenau sowohl bezüglich der Höhenentwicklung, als auch hinsichtlich der bebaubaren Fläche zu widmen (im aktuellen Planentwurf keineswegs der Fall).
Historisches Foto des Kraftwerkes Bitterfeld [1]. Neben vier holzverkleideten Kühltürmen und sieben Schloten ist interessante backsteinlastige Architektur, teils mit Tonnengewölben, erkennbar.
Bitterfeld ist ein historisch bedeutsamer Chemie-Cluster, in dem 1935 erstmals weltweit die Darstellung von Polyvinylchlorid gelang [2]. Am 11.07.1968 kam es aufgrund eines technischen Defektes und menschlichen Versagens zu einer Explosion, die 42 Menschenleben und 270 Verletzte forderte [2],[3].
Näheres zur Werksgeschichte findet sich in Quelle [4].
Quellen:
[1]…Foto-AK “Agfa” 112 x 84 mm Belichtungsfläche, ohne Datum, um 1935-40. Eigentum schlot.at-Archiv
Schnappschuss [1] aus 1940, welcher wohl das dritte Gaswerk der Stadt Freiburg im Breisgau im heutigen Industriegelände Nord zeigt [2]. Zu erkennen sind neben einem Retortenhaus und zwei Kaminen zwei Gasbehälter, davon einer in Teleskopbauweise.
Das erste Gaswerk der Stadt Freiburg wurde 1850 auf dem heutigen Johanneskirchplatz errichtet; es wurde am 1. Oktober 1884 durch einen Neubau im Stühlinger an der Ferdinand-Weiß-Straße, Ecke Eschholzstraße, ersetzt. Als die Kapazitätsgrenzen dieses Betriebes erreicht waren, wurden anno 1932 erste Pläne für einen abermaligen Gaswerks-Neubau vorgelegt und dieser 1936 im Industriegebiet Freiburg-Nord realisiert [2].
Da die vorliegende Aufnahme das Gaswerk bzw. seine Kesselanlagen anno 1940 und in Betrieb zeigt, wird angenommen, dass hier das dritte Freiburger Gaswerk IG Nord gezeigt wird.
Die Gaswerke Freiburg 2 und 3 sind in einem renommierten deutschen Gaswerkeverzeichnis gelistet. Demnach wurde die beiden Teleskopgasbehälter des zweiten Freiburger Gaswerkes Stühlinger nach 1986, derjenige des Freiburger Gaswerkes IG Nord nach 2003 abgerissen [3].
Quellen:
[1]…Foto74 x 43 mm, datiert mit Juni 1940, Eigentum schlot.at-Archiv (2016)
Detailaufnahme einer Schornsteinkrone [1] um 1930. Das Foto stammt vermutlich aus den USA. Interessant scheint der in Europa eher unübliche weiße Verputz des Kamines. Dadurch kann man keine einzelnen Ziegeln erkennen. Der elegante leicht überhängende Fassungsring knapp unterhalb der Krone ist mit vertikal gestellten, dunkel ausgemalten hippodromförmigen Aussparungen verziert. Etwas unter ihm umringt den Kamin ein farbiges Band.
Nicht fehlen dürfen eine Inspektionsleiter und der direkt daneben verlaufende Blitzableiter. Durch die drei hölzernen Querbalken, die über die Krone gelegt sind, gewinnt man den Eindruck, es handle sich um eine Kaminerrichtung oder -sanierung. An den Tramen sind Drähte und eine Kette befestigt.
Den Fotostandort dürfte ein Nachbarkamin einnehmen.
Quelle:
[1]..AK 138 x 88 mm [POST CARD], Provenienz USA. Eigentum schlot.at (2016)
Kolorierte Ansichtskarte [1], welche die Mineralölraffinerie Oderberg (Bohumín) in Österreichisch-Schlesien zeigt. Heute befindet sich an der Stelle ein Industriegelände [2].
Quellen:
[1]…AK 137×89 mm, AUSTRIA Luftbild, gelaufen 1913, eigentum schlot.at-Archiv (2016)
Mit den besten Wünschen für das Jahr 2016 verabschiedet sich schlot.at aus dem alten Jahr. Wir danken für fast 750.000 Zugriffe auf unser Webangebot seit 2007. Die Highlights 2015 sind aus unserer Sicht:
Bergung zweier historischer Geschäfts-Schriftzüge “WÄSCHEREI – PUTZEREI” in Wien / Rudolfsheim-Fünfhaus durch WH/CS/MM, Fotos durch Mag. S. Markytan – Bericht folgt
Klärung des Standortes einer bedeutenden Ölquelle in Kirkuk / Irak über die osmanische Beschriftung des mit 1928 datierten Fotos Fotos mithilfe von Wissenschafterinnen der Universität Wien
Ankauf und Verortung eines Fotokonvolutes der 1974 geschlossenen Blechwarenfabrik CLOETER in Wien / Margareten mithilfe eines dirkten Nachfahren des Fabriksbesitzers
Rumänien-Schwerpunkt 2015 mit sehr seltenen Fotos von Bergwerken und Betrieben der chemischen Industrie und Schwerindustrie.
Schauen Sie weiter bei uns herein – Sie werden es nicht bereuen.
Kontaktkopie [1], Aufnahmeort vermutlich Österreich/Ständestaat.
Das Motiv bildet ein Rauchfangkehrer bzw. Schornsteinfeger in zunfttypischer Bekleidung.Er posiert voll Berufstolz vor einem augenscheinlich nagelneuen STEYR-Wagen, vermutlich ein Modell 530 [2].
Näheres zum hochinteressanten Lehrberuf bei der WKO.
Quelle:
[1]…Kontaktkopie 5,6 x 5,6 cm, undatiert, um 1930. Eigentum schlot.at-Archiv (10/2005)
[2]…Steyr Oldtimer-Website, abgefragt am 27.10.2015
Ein lachendes und ein trauriges Auge hatte schlot.at im Dezember 2014 wegen der Ottakringer Brauerei.
Der südliche Kamin wurde abgetragen, der nördliche saniert. Letzterer ist weiterhin in Betrieb.
1952 wurde die Firma “Cewepharm” pharmazeutisch-chemische Fabrik Gesellschaft m.b.H. gegründet. Während der Firmensitz in Wien 4., Schwindgasse 14, gemeldet war, war die Fabrik in der gegenständlichen Adresse Wien 14., Matznergasse 10 angesiedelt. [1]
Die Alois Carmine KG wurde 1955 gegründet und war ursprünglich am Loquaiplatz 7, Wien 6., ansässig [2].
In den 1970er Jahren wurde die Liegenschaft Matznergasse 10-12 von der Firma Alois Carmine KG Kessler & Co Druckfarben erworben [3].
Heute ist am selben Standort die Carmine GesmbH registriert. Die Familie Carmine ist seit 1878 dem graphischen Gewerbe verpflichtet. Hugo Carmine betrieb ab diesem Jahr in Wien 7., Burggasse 62, eine Maschinenfabrik und Großhandlung für die graphischen Gewerbe [4].
Das Kesselhaus wird nach wie vor für Heizzwecke benutzt, der Kamin ist außer Betrieb [3]. Vielen Dank an Fr. Dr. E.Carmine [3] für den Hinweis auf die “Cewepharm” und die Publikationserlaubnis!
Quellen:
[1]…COMPASS VERLAG (1959): Industrie-Compass 1959 Österreich, 1565
[2]…COMPASS VERLAG (1959): Industrie-Compass 1959 Österreich, 1862
[3]…Freundliche Auskunft von Fr. Dr. Eleonore Carmine am 23.02.2015 vorort.
[4]…COMPASS VERLAG (1959): Industrie-Compass 1959 Österreich, 816