AT | 1140 Wien | Färberei Seidel | ~1935

Abermals ein Zufallsfund eines Fotos [1], das einen uns schon lange bekannten Fabriksstandort in Wien 14, Deutschordensstraße 3, zeigt:

Färberei Seidel [2] bzw. Vereinigte  Färbereien A.G. [3], um  1935.

Faerberei_Seidel_Deutschordensstrasse

Die sehr schöne Website www.1133.at, die sich den ehemaligen Fabriken des Wientales widmet, berichtet über die Fabrik wie kursiv folgt:

Färberei Seidel

(14, Hackinger Straße 48, Deutschordenstraße 3)

In unmittelbarer Nachbarschaft der (in ihrem Ursprung auf das Mittelalter zurückgehenden) Hackinger Mühle befand sich auf Hackinger Straße 46 ein nicht zur Mühle gehörendes, um 1750 errichtetes ebenerdiges Haus. Darin richtete 1812 Louis Aumüller eine Baumwolldruckerei ein und stockte das Haus um ein Geschoß auf. Der Betrieb war nur mäßig rentabel, seine Besitzer wechselten alle paar Jahre. 1846 kaufte Gustav Seidel das Gebäude von Giuseppe Bossi und eröffnete darin 1860 eine Färberei und Mercerisiererei (=Stoffveredlung, benannt nach ihrem englischen Erfinder Mercer) ein. Gustav Seidel (*1816, †1887) stammte aus Reichenberg (Liberec) in Böhmen und war von 1878 bis zu seinem Tod auch Bürgermeister von Hacking, in deren Gemeindegebiet seine Fabrik lag (obwohl nördlich der Wien und heute 14. Bezirk). Er wohnte mit seiner Familie direkt neben seinem Fabrikbüro in der Deutschordenstraße 3. Nach 1850 kaufte er auch das gegenüberliegende Areal der Hackinger Mühle (Hackinger Straße 48) samt den noch darauf befindlichen Gebäuden, ausgenommen das Mühlenwirtshaus „Gasthaus zum Deutschen Orden“, welches die Färberei Seidel erst 1922 dazu erwarb. 1887 übernahmen die Söhne des Gründers, Gustav jun. (der sich schon 1896 zurückzog) und Moriz, die Färberei. 1889 wurde ihnen das Druckereigebäude (Hackinger Straße 46) zu eng, sie übersiedelten die Färberei zur Gänze auf das ehemalige Mühlenareal.

Nun begannen die Jahre des großen Aufschwunges der Färberei Seidel, ermöglicht durch die Hochkonjunktur der zu Ende gehenden Monarchie, die Gründerzeit. Neue Gebäude wurden zugebaut, darunter ein großes Direktionsgebäude und weitere Produktionshallen, Magazine, eine Wagenremise und ein Personalwohnhaus für Fabriksbeamte (Hackingerstraße 50). 1902 wurde der große Schlot gebaut, den die Firma Seidel auf ihrem Briefpapier stolz in stark rauchendem Zustand abbildete – als Zeichen der Prosperität, Umweltbewusstsein war damals noch ein Fremdwort. 1905/06 wurden die Betriebszweige Bleicherei und Appretur hinzugenommen und neben den Dampfmaschinen auch erste Elektromotoren eingesetzt. 1906 brachte Moriz Seidel den Hackinger Betrieb in eine groß angelegte Fusionierung mit folgenden Firmen ein: Hugo Stöhr in Röchlitz und Oberrosenthal, H. Schmidt & Co. in Reichenberg, J.H. Bornemann in Aussig (alle Orte in Böhmen). Zusammen bildeten sie nun die „Vereinigte Färbereien Aktiengesellschaft“ mit weiteren Filialfabriken in Hussowitz bei Brünn, Wöllersdorf (NÖ) und Kaisermühlen. 1910 hatte der Hackinger Betrieb etwa 300 Arbeiter. Nach dem Zerfall der Monarchie wurde dieser, heute würde man sagen Konzern, wieder in eine österreichische und eine tschechoslowakische Gesellschaft zerlegt, die letztere hieß „Vereinigte Färbereien Reichenberg“. Nach dem Ersten Weltkrieg kam beim Hackinger Betrieb noch Wäscherei und Walkerei dazu, dann war der Höhepunkt des Ausbaus erreicht. Offenbar als Folge der geänderten politischen Verhältnisse erfolgte 1940 eine neuerliche deutsch-böhmische Fusion. 1939 bis 1947 führte bereits der Enkel des Gründers, Ing. Moritz Seidel, die Geschäfte im Vorstand. 1946 wurden die in Böhmen gelegenen Betriebsteile von den Enteignungen bzw. Verstaatlichungen aufgrund der Beneš-Dekrete erfasst, einzig die Wiener Färberei blieb übrig.

Der 1933 verstorbene Moriz Seidel liegt zusammen mit dem Gründerenkel, Ing. Moritz Seidel, auf dem Ober St. Veiter Friedhof in einem noch bestehenden Grab, auf dessen Grabstein ein Metallrelief einen Färber darstellt, wie er einen Tuchballen in den Bottich taucht. Die Gesichter der abgebildeten Personen (Färber, kleines Kind) entsprechen den tatsächlichen Physiognomien der Geschwister des Ing. Moritz Seidel. Die letzte Beteiligung eines Familienmitgliedes am Betrieb war die Geschäftsführerschaft des studierten Textilchemikers Dr. Thomas Seidel von 1964 bis 1967.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren in Hacking einige Kriegsschäden zu beseitigen, da die Fa. Seidel wegen ihrer Nähe zur Bahn kleinere Bombentreffer abbekommen hatte. In den 1950er-Jahren gingen die Geschäfte sehr gut, besonders das Färben von Schistoffen (Schihosen), hier teilte man sich mit Winkler & Schindler praktisch den Markt auf.

1974 wurde nochmals ein bisschen umgebaut. Es hatte sich über Jahre hinweg bereits ein enormer Investitionsbedarf angestaut. In der Erkenntnis, die hohen erforderlichen Investitionen nicht mehr verdienen zu können, wurde die Fabrik 1978 geschlossen. 1981/82 erfolgte der Abbruch der Gebäude und der Neubau des Auslieferungslagers der Fa. Morawa. Nur das denkmalgeschützte ehemalige Gasthaus „Zum Deutschen Orden“ mit Baukern aus dem 17. Jh. musste stehen bleiben und wurde nach jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen der Fa. Morawa und dem Bundesdenkmalamt schließlich 1995 renoviert – heute ist darin deren Verwaltung untergebracht.

Quellen:

[1]…Kontaktkopie 85×60 mm, Agfa Lupex, beschriftet mit “Wien XIII, Hackinger Kai 9”, Eigentum schlot.at-Archiv

[2]…www.1133.at, Färberei Seidel, 22.07.2016

[3]…Compass Verlag (1925): Industrie-Compass Österreich 1925/26, Wien. 1580

AT | 1140 Wien | Caro-Werk Ges.m.b.H.

Ehemaliger Standort des hier 1920 (*) gegründeten Caro-Werkes Wien [1] in der Lützowgasse 12-14.

1943 erscheint die Caro-Werk Ges.m.b.H unter der oa Adresse Lützowgasse 12-14 im Wiener Telefonbuch [4]. Es findet sich der Hinweis, daß das Werk früher als “Carobronze” bezeichnet wurde. Als Produkt wurden Gleitlagerwerkstoffe angegeben.

1959 weist der Industrie-Compass Österreich [3] folgende Produkte aus:

  • Lagerwerkstoffe “Caro A”
  • kaltgeknetete Phosphorbronze
  • “Caro-Bühler”-Gleitmetall (Georg Bühler war ein Caro-Entwickler um 1930 [1])
  • Rohre in Schwer- und Leichtmetallen
  • Stangen in Schwer- und Leichtmetallen
  • Profile in Schwer- und Leichtmetallen
  • Massendrehteile in Schwer- und Leichtmetallen
  • Einbau – Gleitlager

1961 fusionierte das Werk  mit der Enzesfelder Metallwerke AG zur neu gegründeten Enzesfeld-Caro Metallwerke AG [1].

Nach dem nicht genau zu eruierenden Produktionsstillstand des Caro-Werkes wird das gegenständliche Gelände durch eine Reihe anderer Unternehmen nachgenutzt. Dazu gehören im Jänner 2011:

(*) Eine Annonce im Industrie-Compass Österreich 1959  gibt als Gründungsjahr bereits 1906 an. [2]

Der Schlot und mehrere Fabriksgebäude bestehen anno 2011 noch. Fotos MM (2011).

Quellen:

[1]…http://www.caro.at/internet/de/firmeninfo/geschichte/geschichte.jsp

[2]…Industrie-Compass Österreich 1959, Compass Verlag Wien. 2448 I

[3]…Industrie-Compass Österreich 1959, Compass Verlag Wien. 957

[4]…Amtliches Fernsprechbuch Wien 1943, Staastsdruckerei, Wien. 62

schlot_map (bei Google Maps)

Weiter…

AT | 1140 Wien | Ameisbrücke mit GEBE – Fabrik, ca. 1915

alle Rechte bei schlot.at
alle Rechte bei schlot.at

Historisches s/w – Foto (AZURA-Papier) der Ameisbrücke in 1140 Wien mit größerer Fabriksanlage der 1913  gegründeten GEBE-Fabrik  im Hintergrund. Der Schlot hat ein kugelförmiges Drahtgitter aufgesetzt.

Foto 83x58mm im Eigentum des schlot_archives (2009).

Quelle Gründung GEBE: Compass 1959 Österreich, 965.

Danke für die Klärung des Standortes an Altair und Nordbahnbertl, die beide zur gleichen Ansicht kamen.

1140 | Salesianer Miettex | Zentrale

Schön renovierter Schlot mit völlig neuen Bändern in der Linzer Straße 104-106 gegenüber von GEBE. Fotos MM 2009. Unser 3. Salesianer – Standort nach 1160 Wien und Wr. Neustadt (dieser auf schlot.at).

Link zu Salesianer hier.

schlot_map (bei Google Maps)

1140 Wien | GEBE Koch- und Heizapparate Fabr. GmbH

Altes Fabriksareal in der Linzer Straße 141/143. Gründungsdatum gemäß COMPASS 1959: 1913 bzw. 1929. 1959: 300 Arbeiter, ca. 100 Maschinen. Vor allem der Westteil der Fabrik ist in desolatem Zustand (eingeschlagene Fenster, Vandalismus etc.) Fotos MM (2009 und 2014).

Abbrucharbeiten:

Zitat orf.at 29.12.2013 (http://wien.orf.at/news/stories/2622675/)

“Seit Jahren zieht die leere GEBE-Fabrik in Wien-Penzing Künstler und Obdachlose an. Jetzt startet der Abriss des Industriedenkmals. Bis Sommer 2015 sollen Wohnungen und ein Supermarkt entstehen. Ein Teil der Fabrik bleibt aber erhalten.

Rund 4.300 Quadratmeter Fläche hat das Areal der GEBE-Fabrik in Penzing zwischen Linzer Straße, Ameisgasse und Westbahnstrecke. 1897 wurde das rund 90 Meter lange und 15 Meter hohe Fabriksgebäude erbaut […].

Anfang der 1990er-Jahre wurde die Herdfabrik geschlossen, seither zog das Gebäude Obdachlose, Graffiti-Künstler und Fotografen an. Jetzt muss die Fabrik einem Wohnprojekt weichen. Der denkmalgeschützte Trakt neben der Westbahn bleibt aber erhalten. 36 der insgesamt 92 Wohnungen werden in diesem Trakt entstehen. Der Hochofen in dem Gebäude wird ebenfalls nicht abgerissen.”

Wohnbauprojekt 29.12.2013: http://wien.orf.at/news/stories/2580064/

Fotos vom Inneren 29.12.2013: http://stadterkundung.wordpress.com/2012/06/23/gebe-fabrik/

Fotos 2009 und 2014:

schlot_map (bei Google Maps)