BY | Pinsk | Streichholzfabrik, nach 1939

Anhand der beiden hier beschriebenen Zündholzschachteln kann die traurige Geschichte der ursprünglich polnischen Stadt Pinsk im 2. Weltkrieg beleuchtet werden.

Die mit Sowjetstern und roten Bannern gestaltete Schachtel der Pinsker Zündholzfabrik trägt die weißrussische Aufschrift „17. September“ und nimmt ganz offensichtlich Bezug auf diesen Tag des Jahres 1939. An diesem Tag ließ Stalin als Reaktion auf den 16 Tage zuvor erfolgten Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen den Ostteil dieses Landes „zum Schutze der weißrussischen und ukrainischen Bevölkerung“ besetzen [1].

Im Zuge dieser Maßnahme kam das bis dahin polnische Pinsk unter sowjetische Verwaltung und wurde der Weißrussischen Sowjetrepublik eingegliedert [2].

Bemerkt wird, dass sich Pinsk seit Ende des 19. Jahrhunderts zu einem industriellen Zentrum für die Produktion von Seife, Salz, Kerzen, Mehl und insbesondere für Holzindustrie entwickelt hatte [3].

Wie unwirksam der „Schutz der weißrussischen Bevölkerung“ war, zeigt die zweite Zündholzschachtel aus derselben Fabrik, welche deutsch und weißrussisch beschriftet ist. Die Ornamentik besteht nun aus einem Kopf, der einen nach deutschem Schnitt geformten Stahlhelm trägt und einem an das Logo der Deutschen Arbeitsfront angelehnten Zahnrad.

Am 04.06.1941 wurde Pinsk von deutschen Truppen besetzt und per 01.05.1942 das sogenannte Pinsker Ghetto eingerichtet, welches einen Höchsteinwohnerstand von ca. 20.000 Menschen aufwies [2].

Die vielfach jüdischen Insassinnen und Insassen des Ghettos wurden für Arbeiten in den Industriebetrieben der Umgebung zwangsrekrutiert [3]. Dazu gehörte auch die Zündholzfabrik, die laut Besatzerangaben mit „mindestens 500 Leuten 500.000 Schachteln am Tag produzierte“ und eine der größten derartigen Fabriken der Sowjetunion war [3].

Das Ghetto wurde Ende 1942 aufgelassen und ein Großteil der Einwohnerzahl ermordet [2].

Die ehemalige Pinsker Streichholzfabrik wird heute in der Tourismusbranche als markantes Beispiel lokaler Industriearchitektur angeführt [4].

Quellen:

[1]…welt.de, 02.08.2021

[2]…holocaust.cz, 02.08.2021

[3]…SCHÄFER, T. (2007): „Jedenfalls habe ich auch mitgeschossen“ – Das NSG-Verfahren gegen Johann Josef Kuhr und andere ehemalige Angehörige des Polizeibataillons 306, der Polizeireiterabteilung 2 und der SD-Dienststelle von Pinsk beim Landgericht Frankfurt am Main 1962-1973. Eine textanalytische Fallstudie zur Mentalitätsgeschichte. Villigst Perspektiven/Dissertationsreihe des evangelischen Studienwerks e.V. Villist, Band 11. LIT Verlag Dr. W. Hopf, Hamburg 2007, S. 506 ff

[4]… planetabelarus, 02.08.2021

 

 

AG der Lokomotivfabrik Wr. Neustadt, vormals G. Sigl, Rax-Werk | WN | Wiener Neustadt

Über den Betrieb

Branche: Fahrzeugbau, Rüstungsindustrie

Geschichte:

  • 1842:  Georg Sigl’s Lokomotivfabrik [3]: Fabriksgründung südlich der Pottendorfer Straße
  • 1870 Erweiterung des Werks auf Bereiche nördlich der Pottendorfer Straße [3]
  • 1875: Umbenennung in Aktiengesellschaft der Lokomotivfabrik Wr. Neustadt, vormals G. Sigl in Wr. Neustadt
  • 10.07.1916: Vernichtung großer Teile des südlichen Werkes durch einen Tornado. Während des 1. Weltkrieges wird das Werk Süd als Kriegsgefangenenlager genutzt [3]
  • 1930: Vorübergehende Stillegung des Werkes aufgrund der Wirtschaftskrise[3,4]
  • 1938: Übernahme des Werks durch die Wiener Lokomotivfabrik [5] bzw. Henschel & Sohn [6]
  • 1942: Gründung der Rax-Werk Ges.m.b.H., Fertigung von Lokomotivtendern, Leichtern und Rüstungsprodukten, u.a. von V2-Raketenteilen [2] im Nordteil der ehem. Lokomotivfabrik Sigl.
  • 1943: Gründung eines Außenlagers des Konzentationslagers Mauthausen in nder sogenannten Serbenhalle, einer in Kraljevo demontierten und in Wr. Neustadt aufgebauten Eisenbahnfabrikshalle [1].
  • 1945: Auflassung Konzentrationslager, Rax-Werk wird USIA – Betrieb
  • 1958: Anschluss an den Simmering-Graz-Pauker-Konzern [2]
  • 1966:  Stillegung des Werkes [2]

Heute finden sich als Reste der Raxwerke noch folgende Objekte:

Hier ein Werkskatalog des RAX-Werkes aus der Nachkriegszeit zum Download – ca. 1955-1957. Datengröße ca. 3MB.

Rax-Werk_1957

Literatur:

[1] …http://www.erinnern.at/gedaechtnisorte-gedenkstaetten/katalog/denkmal_serbenhalle

[2]… http://de.wikipedia.org/wiki/Raxwerke

[3]…wiki: Lokomotivfabrik Wr. Neustadt

[4]…Orientierungsplan von Wr. Neustadt Maßstab 1:10.000, Jänner 1937. Verlag: A.J. Kuderna, Wr. Neustadt

[5]…Fotodokument aus Schlot-Archiv mit Jubiläumstafel: “Wiener Lokomotivfabrik AG. Werk Wiener Neustadt”, den Lokomotivtender 50 647 zeigend.

[6]…Geheimprojekte.at – Raxwerk, 08.01.2011

[7]…Infos zu 114.01: Eisenbahnen in Österreich, 08.01.2011

[8]…Austrian Steam Base, 08.01.2011

[9]…Tender Baureihe 50, Foto, Abfrage 08.01.2011

[10]…Fotosammlung Schlot-Archiv

Kartenansicht

Verortungen der Werke Süd (Alte Schleife, ursprüngliche Sigl-Fabrik) und Nord (Erweiterung 1870, dann Rax-Werke)

Nord: schlot_map (bei Google Maps) Süd: schlot_map (bei Google Maps)
[googlemaps http://maps.google.at/maps/ms?ie=UTF8&hl=de&oe=UTF8&start=0&num=200&t=h&msa=0&msid=208860042593462835970.00045e0378ac07fc44e68&ll=47.829637,16.253285&spn=0.005676,0.012832&z=15&output=embed&w=300&h=200] [googlemaps http://maps.google.at/maps/ms?ie=UTF8&hl=de&oe=UTF8&start=0&num=200&t=h&msa=0&msid=208860042593462835970.00045e0378ac07fc44e68&ll=47.824768,16.252556&spn=0.005676,0.012832&z=15&output=embed&w=300&h=200]